29.03.2020

Tag 14 in der Zeit des Corona - Fastens


Die Tür bleibt zu, ich bleibe drin, stay at home – ich bleibe zu Hause. Stay safe - bleib sicher und behütet!
Draußen vor der Tür lauert Gefahr. Draußen vor der Tür könnte das Virus sein. Draußen vor der Tür herrscht Angst. Draußen vor der Tür fehlt es an allem. An Wasser, Seife, Desinfektionsmitteln und vor allem Hoffnung.
Draußen vor der Tür, da geht die Würde verloren. Müssen Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wer leben darf und sterben muss.
Draußen vor der Tür: So heißt ein Drama von Wolfgang Borchert, geschrieben und aufgeführt kurz nach dem Krieg. Ein junger Soldat kommt nach Hause und findet sich in seiner Heimat nicht mehr zurecht. Der, der als junger Mann Soldat war, ist sich selbst fremd geworden. Er hat  so viel Entsetzliches gesehen, mehr als ein Mensch ertragen kann. Jetzt bleibt er fremd unter Fremden,
Menschen, die sich nicht mehr zu Recht finden in dem Neuen, das noch keine Kontur hat und kein Ziel. Draußen vor der Tür bin ich in diesen Tagen gefährdet, ich bleibe zu Hause: nur schnell zum Einkaufen, maximal zu zweit – und keine Kontakte, nur mit Abstand. Draußen vor der Tür gehe ich spazieren. Draußen vor der Tür bin ich allein, drinnen vielleicht auch, und die Bilder, die mich ängstigen, kommen zu uns, in die Wohnzimmer aus den Fernsehgeräten, auf den Schreibtisch aus den Laptops und Computern, in unsere Köpfe aus den Nachrichten und den Talkshows.
Ich weiß noch nicht,  wie verändert wir sein werden – nach dieser Zeit.

Draußen vor dem Tor hat Jesus gelitten. Durch sein eigenes Blut wollte er das Volk heilig machen.

Draußen vor dem Tor. So heißt es im Hebräerbrief,  im Predigttext für heute. Draußen vor dem Tor ist kein schöner Ort. Da führt man die Abgeurteilten hin, die Gefolterten, um ihnen den Rest zu geben. Dort werden sie endgültig aufs Kreuz gelegt. Draußen vor dem Tor wird elend gestorben.
Dort riecht es nach Schweiß und Tränen und nach Blut., nach Moder und Tod.  Draußen vor dem Tor ist ein schmutziger Ort, wo die Henker ihr blutiges Handwerk verrichten. Draußen vor dem Tor will keiner gern sein. Draußen vor dem Tor ist ein grausamer Ort.

Golgatha. Schädelstätte. Richtplatz. Draußen vor dem Tor starb Jesus. Und doch: Die Verhältnisse kehren sich um – mit dem Ostermorgen, weil der Tod dort draußen vor dem Tor, kein Ende bedeutet, sondern ein Anfang, eine neue Hoffnung, ein Aufbruch in neues Leben.
Draußen vor unserer Tür keimt der Frühling auf, draußen vor unserer Tür gibt es genug essen zu kaufen und gelegentlich auch Klopapier, draußen vor unserer Tür sind Menschen, die sich darum kümmern, dass wir trotz allem gut leben, draußen vor unserer Tür sind Menschen, die für uns und für die kranken Menschen arbeiten. Draußen vor der Tür sind Menschen, die für uns und alle beten.
Ja, draußen vor dem Tor, keimt die Hoffnung auf, und die kommt zu mir, nach drinnen. Drinnen und draußen vermischen sich, wenn ich jeden Abend Kerzen ins Fenster stelle, wenn ich die Glocken höre und ein Vaterunser spreche, wenn wir einander Briefe schreiben und uns anrufen
wenn wir füreinander da sind, auch wenn wir nicht zusammen sind. Wenn wir Sonntag abends Musik machen, einzeln und gemeinsam, auf Distanz und Miteinander.
Es keimt Hoffnung auf, wenn ich meinem kleinen Bekleidungsgeschäft jetzt die Treue verspreche, und meinem Lieblingslokal, und dem Theater, in das ich gerne gehe. Und nicht zu vergessen meinem Friseursalon, darauf freue ich mich schon jetzt.
So entsteht drinnen Zukunft für draußen, für die Zeit, in der wir wieder vor die Tür gehen und uns treffen.

Bleibt behütet und bewahrt in Gottes Segen !

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