Warten auf den einen Moment ...

23.04.2020


Tag 38 in der Zeit des Corona - Fastens

Gestern Abend war ich zur Verteilung meiner Mittwochs-Post in beiden Kirchen. Zum Glück hatte ich meinen Foto mit. Für manche Fotos brauchst du halt den richtigen Moment. Das Fenster im Westchor der Bubenheimer Kirche fristet die meiste Zeit des Tages über ein eher unscheinbares Dasein. Nur am späten Nachmittag gibt es das frei, wofür es geschaffen wurde. In unseren nach Osten ausgerichteten Kirchen gehen wir durch den Eingang von Westen her und gehen Richtung Osten. Für die Erbauer unserer Kirchen war das ein theologisches Statement. Wir kommen vom Abend der Welt und gehen in den Morgen der Auferstehung. Viele Kirchen haben im Westchor daher ein besonderes Fenster, das nur im Lichte des späten Nachmittags und Abends von der Sonne zum Leuchten gebracht wird. Aus Abend und Morgen wird ein Tag. Und das Fenster im Westen lobt den Schöpfer für den Schöpfungstag. Aber wie gesagt: man muss den Moment abwarten können. Dann flutet das Sonnenlicht unser kleines ovales Fenster und zeichnet wunderbare Farben in unsere Kirche. Allein dafür lohnte es sich gestern Abend schon, in die Kirche zu kommen.
Wie gesagt: es braucht den richtigen Moment.
Den gilt es auch abzuwarten, unsere Kirchen wieder für Gottesdienste zu öffnen. Sicher: mit unseren normalen Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern hätten wir kein Problem, die vorgegebene Distanz einzuhalten. Wir könnten Alltagsmasken tragen, und auch auf das Singen verzichten, selbst wenn das schwerfällt. Wir könnten Desinfektionsmittel an den Eingang stellen und über die Ausgabe von Gesangbüchern die Zahl der Besucherinnen und Besucher regulieren. Und sogar die Teilnahme mit Namen und Adresse belegen. Wir könnten ... aber ist es der richtige Moment? Die meisten unserer Gottesdienstbesucherinnen und  -besucher gehören zur sogenannten "Risikogruppe". Aber gerade die wünschen sich die Gottesdienste. Und die sollten wir auch weiterhin schützen.
So werden wohl ab Mai wieder Gottesdienste möglich sein. Mit welchen Bedingungen, das müssen wir abwarten und dann müssen die Kirchenvorstände verantwortlich entscheiden, welchen Weg wir einschlagen. So also gilt es zu warten ... auf den richtigen Moment. Denn wir möchten gerne das Licht des Evangeliums wieder in unseren Kirchen strahlen sehen und keine Angst haben müssen, wenn wir ein Gotteshaus betreten.

Eine kleine aufmunternde Brise aus dem  Lehrtext zur heutigen Losung:

"Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat." 
(Hebräerbrief, Kapitel 10, Vers 35)

Die Adressaten des Briefes an die Hebräer waren Menschen, die es nicht abwarten konnten. Es war schon zu lange her, dass Jesus gestorben und auferstanden war. Er wollte wiederkommen und darauf hatten sie all ihr Vertrauen gesetzt. Aber das Kommen ließ auf sich warten. Irgendwann werden auch die Treuesten unruhig. Erst unruhig und dann irgendwann gleichgültig. Die Botschaft verliert ihr Strahlen und ihre tragende Kraft. Werft euer Vertrauen nicht weg! Beinahe beschwörend wirkt der Schreiber auf seine Leser ein. Vertrauen wird belohnt. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen.
Es ist alle mal besser als das Misstrauen, mit dem wir in diesen Tagen in Kontakt geraten. Wir fragen innerlich: Ist mein Gegenüber gesund oder doch schon infiziert? Wir sind uns meist jedenfalls sicher, nicht infiziert zu sein. Warum stellen wir so leicht andere in Frage? Und sind uns gegenüber so selbstsicher. Ich wünsche mir mehr Vertrauen. Sich einlassen auf das, was uns verordnet ist. Sicher immer mal wieder nachfragen, ob die Mittel immer noch verhältnismäßig sind. Dazu sind wir mündige Bürgerinnen und Bürger. Auch immer mal streiten über den rechten Weg aus der Krise. Auch die hören, die anderer Meinung sind als ich. Vertrauen wagen und beherzt meinen Weg gehen. Das wird belohnt werden. Nicht heute, nicht morgen, aber ganz gewiss.

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