Der Mai ist gekommen

02.05.2020


Foto:HL

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.
Da bleibe wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus.
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
so steht auch mir der Sinn in die Weite, weite Welt.

Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht.
Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert;
es gibt so manchen Wein, den nimmer ich probiert.

Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl,
wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal!
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all-
mein Herz ist wie 'ne Lerche und stimmet ein mit Schall.

Und abends im Städtchen, da kehr' ich durstig ein:
Herr Wirt, mein Herr Wirt, eine Kanne blanken Wein!
Ergreife die Fiedel, du lustiger Spielmann du,
von meinem Schatz das Liedel, das sing' ich dazu.


Wie schön bringt doch das Lied der Romantik auf den Punkt, was uns in diesen Tagen an Sehnsüchten umtreibt. Der Mai ist gekommen. Die Natur grünt und blüht. Und auch wir möchten den Sorgen entfliehen und hinaus in die weite, weite Welt. Aber die ist im Moment doch sehr begrenzt. Man kann mal mit dem Auto ne Tour unternehmen, aber auch nicht zu weit, oder nur mit ausreichend Toilettenpapier (jetzt weiß ich, warum die Leute gekauft haben!). Die öffentlichen Toiletten sind allesamt zu. Da treibt einen die Notdurft entweder ins Grüne oder zurück nach Hause. Wie gerne würden wir unsere Sorgen zu Hause lassen und uns den Sinn nach der weiten, weiten Welt stehen.
Es gibt so viele Straßen, die ich noch nicht marschiert - da sind noch offene Jakobswege, die ich gerne wieder gehen würde - und es gibt so manchen Wein, den ich noch nicht probiert - mein liebes Piemont, wie gern wär ich mal wieder dort und könnte in einer Kantina einen alten Barolo schlürfen!
Aber nun bin ich mal auf die nähere Heimat festgelegt. Auch hier kann ich raus, zum Glück auf dem Land! Ich höre die Vögel zwitschern und kenne ihre Stimmen. Ich sehe die Bussarde kreisen und kenne ihre Nistplätze. Ich freue mich, wenn ich durch die Natur gehen kann. Aber was fehlt, ist natürlich die Einkehr: Und abends im Städtchen, da kehr' ich durstig ein / Herr Wirt, mein Herr Wirt,
eine kanne blanken Wein! - da wär ich dabei. Weil's aber nicht sein kann, trink ich den Wein daheim.
Und morgen Abend packen wir wieder Fiedel, Trompete, Gitarre, Ukulele, Melodica und Cajon aus, weil wir lustige Spielmannsleute bleiben und es nicht lassen können!

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