Miteinander verbunden - in Erinnerung, Gegenwart und Zukunft

08.05.2020


Der Menschenbaum. Kunstwerk in Yad Vashem. Foto: hl
 Tag 53 innerhalb der Corona - Fastenzeit

Heute vor 75 Jahren endete mit der Kapitulation Deutschlands in Europa der zweite Weltkrieg. Die Waffen schwiegen. Und die Menschen in Deutschland schwiegen. Lange hat es gedauert bis unser Bundespräsident von Weizsäcker 1985 von einem Tag der Befreiung sprechen konnte. Seitdem sind wieder 35 Jahre vergangen. Und die Glutnester braunen Gedankenguts sind immer noch nicht verschwunden. Nach und nach erst kamen die unglaublichen Fakten ins Bewusstsein. Millionen von Opfern hat dieser Krieg gekostet. Und allein über sechs Millionen Menschen mit jüdischem Glauben sind brutal ermordet worden. Ganz zu schweigen von den anderen Opfern. Schweigen - das ist heute angebracht. Es gab Zeiten, da war reden angebracht. Da brach es aus älteren Menschen auf ihrem Krankenlager heraus. Sie konnten nicht sterben in Frieden, ohne über grausamstes Erleben zu reden, es sich von der Seele zur reden. Eingegraben hatte sich das Erleben und auch die Schuld, die Menschen auf sich geladen hatten, viel zu lange. Man hatte einfach neu anfangen wollen und aufbauen wollen und vergessen wollen...
Bis es dann heraus musste. Diese Zeit ist weitestgehend vorüber. Heute gehören die zu den Älteren, die den Krieg noch als Kind erlebt haben. Und ich gehöre einer Generation an, die zum Glück nie Krieg erleben musste. 75 Jahre gibt es nun auch die Vereinten Nationen. Es waren die Erfahrungen von Krieg und Zerstörung, die die Nationen der Welt zusammenrücken ließen. Nie wieder Krieg!
Und doch: nach 75 Jahren gibt es immer noch viel zu viele Kriege in dieser Welt, die auch von einer Pandemie nicht aufgehalten werden, selbst wenn es der Vorsitzende der UN eingefordert hat.
Heute will ich für einen Moment schweigen. Und dann wieder reden. Denn es braucht unser Engagement für ein gelingendes Miteinander im Kleinen wie im Großen mehr denn je! Und dazu gehört auch das Erinnern. Künstler können das ja meist auch in überraschender Form. In Yad Vashem in Jerusalem stand ich in der Mittagshitze vor dem Baum. Ich konnte nach einem Durchgang durch die Ausstellung, nach vielen Tränen und dem Unglauben, wie Menschen einander so etwas antun können, draußen im Außenbereich. Erst als ich näher kam, sah ich: der Baum ist aus Eisen. Und sein Stamm und seine Äste sind Menschen, die miteinander verbunden sind. Und die Wurzeln des Baumes reichen in die Erde von Yad Vashem hinein. Vielleicht ist es das, was mich so berührt hat. Die grausamen Erinnerungen, die in Yad Vashem gezeigt werden, lassen einen Menschenbaum wachsen, in dem jede mit jedem verbunden sind. Dieses Bewusstsein will ich stärken. Wir alle sind verbunden miteinander. Und wenn das schwächste Glied leidet, leidet der ganze Menschenbaum. Das gilt nicht nur im Großen. Das gilt auch im Kleinen.

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