dunkle Wolken - von der Abendsonne beschienen
30.06.2020
Tag 105 ! in der Corona-Zeitrechnung
Das kommt davon, wenn man ne zeitlang nicht schreibt. Da hab ich Euch doch tatsächlich 10 Tage unterschlagen! Also schon mehr als 100 Tage leben wir in der Zeit, in der das Virus uns beherrscht.
Bei Regierenden schaut man ja gelegentlich auf die erste Hundert-Tage-Bilanz. Wie fällt die bei Euch aus im Blick auf das Virus?
Ich versuch mal eine kleine Einordnung:
- ein Virus entzieht sich den Schubladen "gut" und "böse". Es wäre zu einfach gestrickt, würde ich diese Zeit in eine dieser Schubladen einsortieren. Diese mehr als hundert Tage haben sehr unterschiedlich auf mich gewirkt. Sie haben meine Arbeit von einem auf den anderen Tag umgekrempelt. Wer wie ich mit Menschen arbeitet, braucht das einfache Gespräch, braucht auch
den Kontakt, die Nähe. All das kehrte sich plötzlich um. Nähe, das bedeutet seitdem: Distanz,
allerdings nur körperlich. Zu vielen Menschen ist durch die körperliche Distanz dennoch eine große
Nähe entstanden. Dennoch fehlt mir der Kontakt, das Berühren und der Handschlag, die Umarmung.
Ich teste aus, wie und wo ich wieder Vertrauen wage und die Hand reiche, oder auch eine Umarmung wagen möchte. Ich glaube, wir brauchen auch da wieder Strategien, neu Vertrauen zu wagen.
- das Virus deckt auch Missstände auf in unserem alten "normalen" Verhalten. Die Hotspots in der Fleischindustrie legen den Finger in die Wunde, Fleisch zu jeder Zeit und immer billig haben zu wollen. Das trifft auch mich als Fleischliebhaber, der sich dabei ertappt fühlt. Vielleicht führt diese Zeit ja zum Überdenken unserer Ernährungspraxis. Jedenfalls haben in der Zeit des Lockdowns noch nie so viele Familien zu Hause kochen müssen. Auch das rechne ich unter positiv in der Bilanz.
Andererseits hat diese Zeit manchen Menschen ihre Lebensgrundlage entzogen. Viele Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer werden diese Zeit nicht überstehen. Manche Berufe
sind aus ihrem Schattendasein getreten wie Pflegeberufe, ohne dass sie übermäßig jetzt Hilfen bekämen wie Großkonzerne. Die Zeit des Lockdowns hat auch soziale Hilfen sprießen lassen, aber
es gibt auch ein Lechzen nach kulturellen Veranstaltungen, die ich vermisse.
- das Virus lässt neue Arbeitsformen entstehen und auch Unwichtiges verschwinden. Manche potemkinschen Dörfer auch im kirchlichen Bereich sind geräuschlos verschwunden. Vielleicht hilft
die Zeit ja bei dem Unterscheiden zwischen wirklich wichtig und unwichtig. Kann ja helfen!
Meine 100 Tage-Bilanz fällt sehr differenziert aus. Da uns dieses Virus wohl noch länger beschäftigen und auch regieren wird, bin ich gespannt auf eine nächste Bilanz bei 200 Tagen. Aber vor uns liegen jetzt die großen Sommerferien mit dem Urlaub. Wohin es wohl dieses Jahr geht: Balkonien - oder Nord- und Ostsee - oder doch in die Alpen, vielleicht zu Radtouren entlang unserer großen Flüsse.
Oder doch Balearen und Kroatien? Ich bin gespannt, wie wir diese Zeit erleben werden und ob nicht wie anderswo noch eine zweite Welle auf uns wartet ...
Auch dunkle Wolken können noch von der Abendsonne beschienen werden ...
Kommentare
Kommentar veröffentlichen